
Before I sink into the big sleep I want to hear the scream of the butterfly … We’re gettin’ tired of hangin’ around, waitin’ around with our heads to the ground, I hear a very gentle sound … Come today, come today.

Aus der Leere tritt der Erlöser wieder ein in die Welt. Die Welt ist das Hinterzimmer einer Bar, in der The Man das Sagen hat. Ein Crumpy White Male, den nur seine besten Freunde Ari Man nennen. Wie ein Gespenst, oder besser wie eine villain in the night, steht Erlöser plötzlich mitten im Raum und entlädt das Magazin einer CZ 75 9mm Luger (also sechzehn Projektile) in den Wanst dieses Früchtens dieser Welt. Ligit! The Man röchelt, hat aber noch die Kraft, sich den kurzen Monolog des Erlösers anzuhören.
(aus: Die alten Filme; KW Berlin. Friendly Fire & Forget)


Die Erschöpfung und das Aufhören, das Enden, verschreibt sich einer Insistenz, die sich weder auf eine Transzendenz stimmt, noch den schmerzhaften Aufbruch verleugnet. Sie geht, zuweilen starr, ohne sich im geringsten zu rühren, weg. Solch aufbrechendes Gehen bricht auch zum verlorengegangenen Kind auf … Merkwürdig mutet so der Brief an, den Herman Melville seiner Tochter Bessie vom Pazifischen Ozean aus am 2. September 1860 zukommen lässt. “Diese Vögel haben kein Zuhause, außer einigen wüsten Felsen mitten im Ozean. Sie sehen niemals einen Obstgarten, und kennen den Geschmack von Äpfeln und Kirschen nicht, wie dein kleiner Freund in Pittsfield, Herr Robin Rotkehlchen … Ich hoffe, dass du gut auf Klein Fanny aufpaßt, und daß du, wenn du den Hügel hinaufgehst, so gehst, [hier folgt eine kleine Zeichnung Melvilles, die einen Baum und etwas Gesträuch zeigt, sowie zwei beinah winzige Gestalten, die sich an der Hand halten] Leb wohl – Papa.” So, als ob es doch möglich sei, die Faust in die flache Hand zu entfalten, wie Johann Georg Hamann dies gefordert hat, und sich die Hände zu reichen. So, als ob es vielleicht den Aufbruch des Vergessens nach nichts mehr verlangte, als eben nach dieser einfachen, singulären und einfältigen Handreichung, das Wagnis dieser unwahrscheinlichen Berührung, die weder führen noch hüten will.
ALH, “… thus snapping the chain – ” in: Gerburg Treusch-Dieter (Hg.), Schuld, Tübingen 1999

In 2015 HER was published by Konterfei (Vienna) in a limited edition of 200 copies. Cover Design by Caprice Crawford & Theo Ligthart. Publishing concept by Robert Jelinek & Elena Henrich. Broderie anglaise // Lochstickerei by Frau Luckhardt.
Andreas L. Hofbauer
Das Haus mit den lachenden Fenstern // The house with the laughing windows
René Luckhardt
Der Stoff, aus dem Großmütter sind // The stuff grandmothers are made of
Hermetic Experimental Research
A laboratory talk by René Luckhardt and
Andreas L. Hofbauer with Andreas L. Hofbauer and
René Luckhardt.

“Die Mehrzahl derer, mit denen wir im Gespräch sind, sind ohnehin längst tot.”

The incompareable book of Jason Schwartz is out now. Diaphanes Forward Edition. Translated by ALH. Get your copy here.
{Photo by Marius Mittag}

{Photo by Katharina Copony}

Catalogue for the exhibition 5 is a different 1 by Réne Luckhardt at Galerie Bernd Kugler (Innsbruck / AUT). (Opening June 14th, 2018. 6 pm)
Luckhardt’s paintings are the artistic approach to a photograph of underground icon Marjorie Cameron (1922-1995). The Californian actress, visual artist, poet and occultist was and is the enigmatic protagonist of a counterculture whose influence can still be felt today. Luckhardt’s paintings dissect the black-and-white photograph of hers into innumerable variants. Inconspicuous details oft he photograph are transformed into painterly-graphic compositions in their own right and, in a surprising twist, rearranged in a sculptural and discursive way. The title 5 is a different 1 summarizes such an approach in the form of a slogan.
The work is inspired by Andy Warhol’s pop position Marilyn of a modern icon. From an almost void and ante-chamber of imagery, it is contrasted with this model of an angel of a very different kind. As a consequence it carries neither the name Marjorie, nor Cameron – what enters the stage is at best: Marjolyn.
The exhibition is accompanied by a catalogue with a short essay by Andreas L. Hofbauer in a limited edition of 150 copies. Artist and author will be present at the opening.

Canvassing the profound realms of beauty and sublime with Bob Rutman. Pic by Monique Schramm.
Hosen sind zwei gegabelte Röhren, die fuglos in einem oben offenen, schnür- und füllbaren Hüftsack enden. Die internationale Mode- und Bekleidungsindustrie spricht daher von bifurcated garments. Ob diese Röhren nun mit je einer Bügelfalte versehen werden oder aber mit keiner spielt nur eine unwesentliche Rolle. Üppigere Drapierungen oder Fältelungen sind nicht zu erwarten. Während sich noch in der griechischen Antike die Bekleidung von Männern (chlamys / himation) und Frauen (peplos / chitón) bestenfalls durch die Saumlänge unterschied, ist das nun schon seit geraumer Zeit anders. Tragen Männer Kleider oder Röcke, die in der Regel für Frauen gefertigt wurden, dann öffnet sich sofort ein gewaltiges Feld, das bevölkert ist mit Fetischen, Geschlechterdifferenzen, Transvestiten, Perversionen, Crossdressing, Homo-, Hetero oder Transsexualitäten. Dieses wird dann immer noch gerne mit der Sehhilfe einer Psychoanalyse überschaut, die schon länger keinen Optiker gesehen hat. Entbergung und Verbergung, Ordnung des Schleiers und Ordnung der Einhüllung; egal ob das Objekt verborgen wird oder der Objektmangel – es bleibt bei einer Logik des Blicks und der Sichtbarkeit von Objekten. {…} Wir dürfen uns [aber] einen erotisch begeisterten Menschen denken, dem das Eintauchen in das Kleid dem Betreten einer hermetischen Kammer oder dem Angespült-werden an den Strand einer Insel gleicht. Sensorische Erfahrungen kollabieren und durchmischen sich, da der andere aufhört, die Ränder und Übergänge der Welt zu sichern. Die das ganze Feld bedingende Wahrnehmungsstruktur gerät ins Schwanken dort, wo, im Zurücktreten des anderen, Bewusstsein und Objekt anfangen eins zu werden. Ein solcherart leidenschaftlich Begabter lässt daher die Gabelung hinter sich, wenn er sie gegen das Kleid tauscht. Er erprobt ein disinvestment hinsichtlich der Dichotomie. Das Kleid, das er zu werden beginnt, wird gewissermaßen vom Chaos, vom Wirbel, erfasst; es gleicht nun auch einem Resonanzkleid, das wie eine Membran die pulsierenden Lineaturen aufnimmt und sie in Intensitäten verwandelt. Will man auditiv fassen, dann „raschelt“ und „rauscht“ ein Kleid grundsätzlich. Die pathische Apprehension (Guattari) die hier ins Spiel kommt, wird vom Nicht-Organischen aufgeschlossen, das ein solches Begehren ergreift und kapert, ohne sich sofort wieder entlang der eingefahrenen Organisationsordnung der Fetisch-Lust einfangen zu lassen. [Auszug]
Original photography by Andy Tan. Model: Jelle Haen (Future Faces)

Painting by Aleister Crowley, located in a door jamb, Abbey of Thelema, possibly depiction of Baphomet
Zum Replikat von Aleister Crowleys Chambre des Cauchemars
Ein Ritual- oder Initiationsraum dient der Kraftübertragung. Die Vehikel solcher Transmissionen können unterschiedlicher Verfassung sein. Zweifellos kommt dabei Körpern und Bildern (Visualisierungen) ein besonderer Stellenwert zu. (Damit ist nicht gesagt, dass Bilder keine Körper sind.) Hier haben wir es mit Bildern zu tun, die direkt an Wänden angebracht wurden und den gesamten Raum in einen Bild-Raum verwandeln. Derlei Bilder dienen nicht dem interesselosen Wohlgefallen der Betrachtung, sondern sind Affekt-Zeichen.
Gemäß der nietzscheschen Überlegung, dass Wirkungen den Ursachen vorangehen, scheint es meiner Einschätzung nach nicht von vorrangigem Interesse, nach dem Warum und Wie dieser Einweihungen zu fragen. Wir dürfen uns fürs Erste damit begnügen festzustellen, dass es gewisse Riten gab, die vor dem Eintritt in das Chambre und während des Aufenthalts in selbigem zur Anwendung kamen. Von der Benutzung von Drogen und der Durchführung sexual-magischer Praktiken ist auszugehen. Desgleichen wurde der Raum für profane Zwecke genutzt (und diente Aleister Crowley schlicht als Schlafzimmer), wobei nicht nur diesem Fall die Trennlinie zwischen profan und theurgisch ohnehin eine unscharfe ist.
Entscheidend bei all dem ist, dass während der rituellen oder initiatorischen Vorgänge die Bilder selbst lebendig werden sollten („become alive“) und vom Geist des Initianden / Magiers Besitz ergreifen („obsess their spirit“). Das Problem solcher Besessenheit ist nun ein Zweifaches. Zum einen übermannt ein derartiger Vorgang den Willen (griech: thelema), zum anderen erlaubt auch die Intensivierung und Transformation dessen, was man sich gemeinhin unter eben einem solchen Willen – einem, dem (selbst)bewussten Ego unterworfenen Akt – vorzustellen pflegt. Wille ist hier nicht länger actus, sondern Prozess (ein Werden / becoming). Die Evokation von göttlichen, dämonischen, astralen oder sonstigen Entitäten oder Vorstellungskomplexen durch Bilder ist Transformation des in sich verschlossenen Egos. Der Ritualraum ist ein symbolischer Energiecontainer, der es dem Fleischcontainer ermöglicht sich zu öffnen. Bilder werden inkarniert (dringen ein) und entrücken den Körper in andere Bewusstseinszustände, die von mehr oder weniger dauerhafter Natur sind (nachdem der Ritualraum verlassen wird). Es findet somit ein psycho-pikto-plastisches Reshape statt. In David Cronebergs Film Videodrome merkt Prof. O’Blivion (Medienanalytiker und Psychoplast) an, dass er zuerst angenommen hätte, seine Visionen seien auf den Tumor in seinem Gehirn zurückzuführen; bis ihm klar wurde, dass im Gegenteil die Visionen seinen Tumor hervorgebracht hätten. Die Bilder generierten New Flesh. Verändert nun auch der Magier nicht die Welt um sich herum, sondern transformiert sich selbst (damit „seine“ Welt und das nicht bloß „kognitiv“), dann verleibt er sich die lebendigen Ritualbilder des workings (ergon) ein. Aus diesem Grunde könnte man die Wandmalereien durchaus, wenn auch ein wenig oberflächlich, als Sigillen bezeichnen. Diese leben dann in ihm als Reste weiter, über-leben, bilden Aspekte eines neuen Selbst-im-Werden. Es entsteht eine Art multiple Persönlichkeit, oder besser noch ein Komposit-Selbst, das diese verschiedenen Facetten nach und nach „bewusst“ einsetzen kann. Viktor Neuenburg, der Adept Crowleys und Informant Sigmund Freuds (gemeinsam mit Eckenstein gab er letzterem den Hinweis auf das „ozeanische Gefühl“, von dem Freud Zeit seines Lebens bestritt, es jemals erfahren zu haben), hat darauf hingewiesen, dass solcherlei Vorgänge mit der Traumerfahrung in Beziehung zu setzen sind. Tagreste dringen in Form von Symbolen in die Bildwelt des Traumes und Nachtreste der Symbol-Bilder werden (bewusst oder unbewusst) zurück in den Wachzustand übertragen.
Sonach ist der Transmissions-Raum eben auch (T)Raum.
Die Transmission ist eine virtuelle (von virtus = Macht). Wird sie ritualisiert, wird sie dem Willen (wessen auch immer) unterworfen um kontrolliert werden zu können. Macht verlangt nach Form; In-formation. Bediente sich Crowley auch freimütig bei den Ideen und dem Info-Material anderer, so liegt hierin doch ein zentrales Moment nicht allein der individuellen Vervollkommnung, sondern auch eine Utopie des Gesellschaftlichen und Politischen. Rabelais kennt nur das TU WAS DU WILLST, das als Motto seine Abtei von Thélème schmückte. Diesen Satz hat Crowley entscheidend erweitert – indem er unscheinbar ein anderes Motto transformierte, das bereits Jahrzehnte vorher ausgesprochen wurde. (Und zwar von Paschal B. Randolph für die Brotherhood of Eulis.) Dieses ursprüngliche Gesetz von Randolph lautet:
Will reigns omnipotent;
Love lieth at the foundation.
Inkarnation unter dem Gesetz der Liebe (Sexualmagie), Freisetzung aller Potenzen des Willens (der nicht länger an ein Ego gebunden ist), keine Abkehr hin zu Nirvana oder Nichts, sondern konkrete Diesseitigkeit und Materialität als spirituelles Band neuer Gemeinschaft.
Die Reste der Wandbilder aus dem Chambre des Couchemars, die Zerstörung und Verfall gerade noch überstanden haben, sind Ruinen und Fragmente eines ähnlichen Versuchs. Ein unkontrolliertes Palimpsest ist entstanden (Übermalungen, Graffitti etc.) und die lichtbildliche Herausnahme der noch (un)versehrten Stellen – nennen wir es getrost Archäofotografie – macht nun den Raum selbst wieder transportabel. Das Replikat des Raumes bewerkstelligt die Filiation von Räumen und Kräften. Wenn die Geheimnisse an den Wänden die Kraft zu senden zurückgewinnen, die Kraft zu über-tragen, dann werden sie auch zu denken geben. Sie werden die Frage aufwerfen, was das eigentlich für eine Temporäre Autonome Zone (Hakim Bey) war. Gibt es am Replikat noch Aurareste? Und selbst wenn dem nicht so sein sollte: Genügt nicht allein schon die profane Epiphanie dieser Fragmente, um uns Staunen zu machen?
Wie auch immer. Die Abtei Thélème, die Gargantua dem Mönch stiftet (François Rabelais, Gargantua, Kap. 52), hatte gar keine Mauern. Gewiss ist auch, dass es keine Trompeten von Jericho bislang zustande brachten, die Thelema Abbey vollständig zu vernichten. Die Bilder an den Wänden und Mauern haben sich nun selbst aufgemacht, angefangen sich wieder zu bewegen. Sie haben zu wandern begonnen. Wohin ist nicht klar; doch senden sie weiter. Die Signale sind von vielfältigem Rauschen gestört; es gilt, das richtige Frequenzband zu finden.
Tom McCarthy hat eindrücklich darauf hingewiesen: In Jean Cocteaus Film Orphée schaltet der Titelheld wild zwischen den Sendefrequenzen hin und her. „BIEP-BIEP-BIEP … Achtung: Der Vogel singt mit seinen Fingern … Einmal … Ich wiederhole … 2,294 … Zweimal … BIEP-BIEP“, tönt es aus seinem Autoradio, dem einzigen Ort, der sich selbst an beinahe jeden anderen Ort bringen kann und wo man die „Anweisungen von Drüben“ empfangen kann. Als man ihn fragt, warum er dem zuhöre, antwortet er: „Ich bin dem Unbekannten auf der Spur.“
Andreas Leopold Hofbauer, September 2010, on the occassion of “La Chambre des Cauchemars d’Aleister Crowley” (réalisé par René Luckhardt), 4 – 13 July 2010, Wonderloch Kellerland Berlin
Replica Chambre des Cauchemars, Wonderloch Kellerland 2010
René Luckhardt, Abbey of Thelema, Cefalu, Sicily
Das Replikat des Chambre des Cauchemars der Abtei von Thelema in Cefalù von René Luckhardt zeigt die Überreste von Aleister Crowleys Wandmalereien von 1920, die ursprünglich die komplette Wandfläche eingenommen haben müssen. Die Abtei befindet sich heute in einem desolaten Zustand; ebenso die Wandmalereien, von denen nur noch wenige Fragmente erhalten sind. Diese Reste bleiben auf das Chambre des Cauchemars beschränkt, Crowleys Initiations- und Schlafzimmer.
Von den nachfolgenden Besitzern des Gebäudes übermalt bzw. zutapeziert, wurde die darunter liegende Malerei von späteren Besuchern stellenweise freigelegt. Eine sachgerechte Restaurierung ist jedoch nie erfolgt. Die Wände sind heute mit Kritzeleien und Graffiti beschmiert, die verbliebenen Reste durch Witterung stark beschädigt. Eine Rekonstruktion des Originalzustandes bzw. eine Restauration wäre heute vermutlich aussichtslos.
Das Replikat präsentiert die Fragmente, die als Malereien Crowleys zu erkennen sind bzw. ihm zugeordnet werden können. Räumliche Anordnung und Größe der Fotoabzüge entsprechen in etwa dem Original.
Die Abbildung ganz oben zeigt eine doppelköpfige, zwei-geschlechtliche schwarze Figur, die eine Darstellung Baphomets sein könnte. Sie befindet sich in einer Türlaibung und musste innerhalb eines Abstandes von ca. 80 cm gemalt werden. Stufenweise von oben nach unten abfotografiert, wurden die Einzelteile digital nachbearbeitet und aneinander gefügt. Aleister Crowleys Wandgemälde kann auf diese Weise aus der Distanz als Ganzes betrachtet werden.
Replica Chambre des Cauchemars, Galerie Seiler, München 2010