Paradise revisited

Der 1889 in Kattowitz geborene, berüchtigte und einflussreiche Erich Przywara S.J. hat kat-holos bündig mit Wendung aufs Ganze übertragen. Er steigert damit den letalen Grundgedanken der kreuzweisen Orientierung in Raum und Zeit zum Äußersten. Die kenosis als Entleerung in Finsternis und Knechtschaft, von der Paulus im Brief an die Philipper spricht, errichtet das letzte Mahnmal unbedingten Ressentiments. Eine dunkle Nacht, die sich elektrisch in den Synapsen des Juan de la Cruz entlädt.

Doch wenn Eva ihren Kopf mitsamt den Lippen (und den Augen) in der Sixtinischen Kapelle verdreht, dann ist gerade mit dieser Drehung die Gegenstrophe angeschlagen. Schubumkehr. Und das ist nicht einmal mehr Verzückung in der gegenstrebigen Fügung, sondern ekstatischer Halt in einer unmöglichen Zone zwischen Gleißen und Auslöschung. Die Bilder einer solchen Aphanisis evozieren nur auf den ersten Blick jene Bilder, die in uns kreisen, wenn wir an die Gemächer der Villa dei misteri bei Pompeij oder den Parc-aux-cerfs in Versailles denken. Vielmehr sind sie Dreh- und Kippelemente eines Experiments.

Betrachtet man einen Rotor von oben oder von der Seite, dann sieht man ein X. Wir könnten auch sagen, ein „echtes, rechtes X, das heisst den vorletzten Buchstaben vor dem letzten …“. Doch vielleicht markiert dieses X auch den Punkt, der bleibt, wenn auch das Letzte vergessen ist. Rotor ist ein Palindrom. Auch eine Antwort auf die Katastrophe des Kreuzes. Was hier über-lebt haben wird, erwartet die stets wiederkehrende Morgendämmerung; etwas kühl und metallisch – gewiss, doch wer hat uns versprochen, dass es im Paradies kuschelig und warm ist?

Andreas Leopold Hofbauer for René Luckhardt Aphanysium, Galerie Bernd Kugler, Innsbruck (21. Januar bis 26. Februar 2011).

Grin (Studies on Gruesome Women)

Freeze framed in the mirrors of dark dreams, She awaits us. Her touch will be gentle. We beseech thee, Atropos, cover us with your scarlet lips – bite through the bonds!

Ferris wheel / Fairies of time

When, lo! as they reached the mountain-side,
A wondrous portal opened wide,
As if a cavern was suddenly hollowed;
And the Piper advanced and the children followed,
And when all were in to the very last,
The door in the mountain-side shut fast.
Did I say, all? No! One was lame,
And could not dance the whole of the way;
And in after years, if you would blame
His sadness, he was used to say, —
“It’s dull in our town since my playmates left!
I can’t forget that I’m bereft
Of all the pleasant sights they see,
Which the Piper also promised me;
For he led us, he said, to a joyous land,
Joining the town and just at hand,
Where waters gushed and fruit-trees grew,
And flowers put forth a fairer hue,
And everything was strange and new

and everything was strange and new

Draußen, in der Sturmnacht, dreht sich das Lichterrad …
Dieses Rad, das auf die Form des Buches selbst hinweist, kann auch, auf eine selbstverständlich kinematographische Weise, als das Rad der Zeit betrachtet werden, das sich rückwärts zu drehen beginnt … (Malcolm Lowry, Vorwort zu Unter dem Vulkan)

Stofferotik – Erotics of Fabric


Slideshow and reading

The author Andreas L. Hofbauer for Pecha Kucha Berlin (# 16) at Festsaal Kreuzberg Berlin/ December 15th, 2009.
Many thanx to Laura López Paniagua for sampling and choosing the pics with me!

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Andreas L. Hofbauer tries to bring some light into “this side of hell” (Lee Hazelwood). And prays for all the mariners who found their wet grave in the oceans of this world. (Pic by Bianca Regl)

Nähmaschine

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Ein altes englisches Sprichwort lautet: „We are all Adams sons, silk oneley distinguisheth us.“ Wie bei aller Spruchweisheit mag einem Spruch und Weisheit wohl gefallen, doch auch hier harrt mehr im Verborgenen, als manchem recht und billig.

In den sinistren Träumen meiner Kindheit begegnete sie mir unzählige Male. Sie war eine stolze, große und grausame Göttin, die sich Ehrfurcht und Schrecken gebietend hochreckte vor der scheinbaren Unendlichkeit schwarzen Horizonts. Ihr augenloser metallischer Körper schien mir zuzulächeln, doch es war eher ein stählernes, dünnlippiges und vertikales Grinsen. Nicht die Perlen der Zahnreihen blitzten auf und entblößten sich, sondern nur ein einziger Stachel.

Weder war ich nackt, noch bekleidet. Ich war der Stoff, in den ich eingewoben. Ein Knoten oder eine Masche in einer sich unübersichtlich nach links und rechts, nach vorne und hinten ausbreitenden gefältelten Stoffbahn, die wer weiß wo aufruhte. Gebannt starrte ich (ja – ich hatte Augen um zu sehen, zweifellos, ich weiß nicht woher oder warum) auf das Schauspiel, welches nun anhob. Das Grinsen nickte mir zu. Ein Sog begann den Stoff und mich mit ihm vorwärts zu ziehen mit rasender Geschwindigkeit, geradewegs hinein in dieses Nicken. Ein Grinsen, das nickt. Schneller und schneller, auf und ab. Alles lief auf diesen einen Punkt zu, der ich sein sollte. Losmachen wollte ich mich, doch entkam ich nicht dem Verbund, in den ich eingeflochten. Der versteckte Transporteur kannte nur eine Richtung. Entsetzen und Erregung überschwemmten mich, als ich hingerissen meinem Ziel folgte. Immer, wenn ich es erreichte, erwachte ich.

Jedes Kleid (hyphasma / peplos) oder allgemeiner Gewebe (hyphos) wird aus einem gespannten, oder versteiften, vertikalen Faden (stemon / mitos) und einem horizontalen (kroke / rhodane) verfertigt. Die Worte für den vertikalen Faden sind Maskulina, die für den horizontalen Feminina. Das Verweben der beiden (symploke) wurde daher nicht erst bei Seneca mit dem Verkehr der Geschlechter identifiziert. Doch mitnichten handelt es sich um eine Form der Verbindlichkeitsherstellung (bond / Band). Vielmehr ist diese Verbindlichkeit bestenfalls eine diverse oder gar unmögliche. Leitet sich denn nicht selbst der kairos, der glückliche Augenblick, noch her vom Einschlag am Webstuhl? Vom dreieckigen Spalt beim Anhub der Kettfäden, ehe er vom Schussfaden durchschossen? Von der nur kurzfristig auftauchenden Öffnung, die vom Weberschiffchen gequert wird? Eine Lücke – aber eine, die der Öffnung im Panzer gleicht, die durch den Speer (tödlich) geschlossen wird.

Naht und Schnitt informieren das Gewebe. Der Stoff bleibt Traum, die Nadel seine Wahrheit.

In David Lynchs Inland Empire flüstert das Lost Girl Nikki Grace aka Susan Blue zu:

„Do you want to see?

You light a cigarette
You push and turn it right into the silk
You fold the silk over
And then you look through the hole.“

Und ein kleiner Junge trat ins Licht.

Andreas L. Hofbauer (2009); für Silvia Breitwiesers WEBWerk