Röcke tragen // Kleider tragen

00000843

Hosen sind zwei gegabelte Röhren, die fuglos in einem oben offenen, schnür- und füllbaren Hüftsack enden. Die internationale Mode- und Bekleidungsindustrie spricht daher von bifurcated garments. Ob diese Röhren nun mit je einer Bügelfalte versehen werden oder aber mit keiner spielt nur eine unwesentliche Rolle. Üppigere Drapierungen oder Fältelungen sind nicht zu erwarten. Während sich noch in der griechischen Antike die Bekleidung von Männern (chlamys / himation) und Frauen (peplos / chitón) bestenfalls durch die Saumlänge unterschied, ist das nun schon seit geraumer Zeit anders. Tragen Männer Kleider oder Röcke, die in der Regel für Frauen gefertigt wurden, dann öffnet sich sofort ein gewaltiges Feld, das bevölkert ist mit Fetischen, Geschlechterdifferenzen, Transvestiten, Perversionen, Crossdressing, Homo-, Hetero oder Transsexualitäten. Dieses wird dann immer noch gerne mit der Sehhilfe einer Psychoanalyse überschaut, die schon länger keinen Optiker gesehen hat. Entbergung und Verbergung, Ordnung des Schleiers und Ordnung der Einhüllung; egal ob das Objekt verborgen wird oder der Objektmangel – es bleibt bei einer Logik des Blicks und der Sichtbarkeit von Objekten. {…} Wir dürfen uns [aber] einen erotisch begeisterten Menschen denken, dem das Eintauchen in das Kleid dem Betreten einer hermetischen Kammer oder dem Angespült-werden an den Strand einer Insel gleicht. Sensorische Erfahrungen kollabieren und durchmischen sich, da der andere aufhört, die Ränder und Übergänge der Welt zu sichern. Die das ganze Feld bedingende Wahrnehmungsstruktur gerät ins Schwanken dort, wo, im Zurücktreten des anderen, Bewusstsein und Objekt anfangen eins zu werden. Ein solcherart leidenschaftlich Begabter lässt daher die Gabelung hinter sich, wenn er sie gegen das Kleid tauscht. Er erprobt ein disinvestment hinsichtlich der Dichotomie. Das Kleid, das er zu werden beginnt, wird gewissermaßen vom Chaos, vom Wirbel, erfasst; es gleicht nun auch einem Resonanzkleid, das wie eine Membran die pulsierenden Lineaturen aufnimmt und sie in Intensitäten verwandelt. Will man auditiv fassen, dann „raschelt“ und „rauscht“ ein Kleid grundsätzlich. Die pathische Apprehension (Guattari) die hier ins Spiel kommt, wird vom Nicht-Organischen aufgeschlossen, das ein solches Begehren ergreift und kapert, ohne sich sofort wieder entlang der eingefahrenen Organisationsordnung der Fetisch-Lust einfangen zu lassen. [Auszug]

Get you a copy here

Or here!

Original photography by Andy Tan. Model: Jelle Haen (Future Faces)

The Reading of a Dress (La Robe – Mis-en-scène)

577128_445166022201763_657762376_n

An experimental audio collaboration, between the fashion label kimberit and the author Andreas L. Hofbauer : a sound only fashion show.
After an original idea of kimberit, the artist will present a dress of her collection “Z-wie-Licht I 2 ½ D” (Z as light I 2 ½ D) by it’s oral description only, written by Andreas L. Hofbauer.
The haute couture collection explores a visual ambiguity, when at twilight, the light tends to fool our senses and makes the volumes disappear. Bringing further this affection of the senses and playing the game of experiment, the Lesung eines Kleides allows the visitor to experience a dress without seeing it. The apparel will take shape in the listener’s imagination, opening to a specific experience, beyond vision and touch.


Eine Schnittzeichnung ist eine Partitur, bei der Lesen hören heißt.
Wenn du aufhörst zu sehen, wirst du umso besser begreifen.
Wenn du aufhörst zu verstehen, wirst du umso geschickter berührt werden.
Aber wenn du partout sehen willst, dann schau’ im Zwielicht.

Premiere at BOUM #4 hosted by P.O.P. Berlin

dress23_reading

Pics by Kim Berit & Tristan Thönnisen