hermal (Nullnummer)

diaphanes_0_hermal

Im beklagenswerten Zustand, in welchem sich Teile der gegenwärtigen Forschungslandschaft heute befinden, liegt es dann auch nahe, dass populärkulturelle Elemente hier einfließen können. In einem erst kürzlich eingereichten Vorschlag für ein Symposium wurde ganz ernstlich nahegelegt, dass zwei Akkordfolgen [Eᵇ F# Eᵇ F# Dᵇm H F# und Am D Am D Cm G], die dem Soundtrack zu einem sechsminütigen Experimentalfilm aus dem Jahr 1949 eines obskuren kalifornischen Filmemachers entstammen, sich als quasi-phytagoräische Tonalsegmente dafür anbieten würden, mathematisch basierte Universalverhältnisse zu prüfen – und all das versehen mit dem Hinweis, dass jene Akkordfolgen der Begleitmusik hurritischer Zeremonialgesänge exakt glichen! Nun lässt sich aber (wie nicht anders zu erwarten) weder der Komponist, ein gewisser Jonathan Halper, dieser Filmmusik nachweisen, noch hat jemals jemand irgendwelche Belege für hurritische Zeremonialgesänge oder deren Begleitung zu Gesicht bekommen. Ausgegebene Kurzlosungen wie „Leben – Tod – Leben“ oder „Leben, zweisilbiger Tod“ die in Form von Sgraffitos auf dünnen Goldplättchen bereits in Tumuli des 12. Jahrhunderts v. u. Z. gefunden wurden, sollen Zusammenhänge zwischen diesen wild imaginierenden Entwürfen und ältester dionysischer Orphik stiften. Der wissenschaftlich sich gebende Anstrich solcher „Denkrichtungen“, mögen sie sich etwa Hermetic Experimental Research oder Lithografischer Realismus nennen, erweist sich als bloßer Schaum und Rauch. Ob es sich hierbei um die bewusste Agitation einzelner oder um den Ausdruck des fahrlässigen Umgangs mit ungesichertem Quellenmaterial handelt, müssen andere Einrichtungen klären. [excerpt]

{ALH for Diaphanes Magazine #0}

Leave a Reply

Fill in your details below or click an icon to log in:

WordPress.com Logo

You are commenting using your WordPress.com account. Log Out /  Change )

Facebook photo

You are commenting using your Facebook account. Log Out /  Change )

Connecting to %s